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Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
Pflegeversicherung: Schutz vor finanziellen Engpässen
Das Durchschnittsalter von Deutschlands Bürgern steigt und statistisch gesehen wird unsere Gesellschaft immer älter. Neue Herausforderungen – insbesondere in Pflegebereichen – sind die Folge. Denn alte Menschen ab etwa 80 Jahren benötigen in der Regel mehr und mehr Unterstützung, um ihren Alltag meistern zu können. Aber auch Jüngere sind oft auf Pflegehilfen angewiesen, z. B. nach einem Unfall oder einer schweren Krankheit.
Damit Pflegebedürftige trotzdem möglichst eigenständig und selbstbestimmt weiterleben können und aufgrund der notwendigen Leistungen nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten, ist eine Pflegeversicherung empfehlenswert. Welche Leistungen bis zu welchem Betrag von der Versicherung übernommen werden, hängt davon ab, wie umfangreich die Pflege ausfällt und wer sie leistet. Ob eine dauerhafte Unterbringung im Pflegeheim notwendig ist, oder sich professionelles Pflegepersonal und Angehörige bei der betroffenen Person zu Hause um sie kümmern, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. In unserem Ratgeberbeitrag informieren wir Sie zum Leistungsumfang der gesetzlichen Pflegeversicherung und weiteren möglichen Absicherungsoptionen.
Wie finanziert sich die Pflegeversicherung?
Eingeführt im Jahr 1995 ist die Pflegeversicherung ein Bestandteil der gesetzlichen Sozialversicherung. Als Pflichtversicherung gehört sie zu den Leistungen gesetzlicher Krankenkassen und privater Versicherer.
Sie fragen sich, wer die Pflegeversicherung finanziert: Arbeitgeber oder Arbeitnehmer? Beide. Von ihrem Bruttogehalt führen Arbeitnehmer direkt einen Beitrag an die Pflegeversicherung ab.
Sind selbstständig Tätige freiwillig gesetzlich versichert, übernehmen sie den gesamten Pflegeversicherungsbeitrag selbst. Und Privatversicherte zahlen einen Beitrag, den sie vorab mit ihrer privaten Krankenversicherung vertraglich vereinbart haben. Wie hoch diese Kosten sind, hängt nicht vom tatsächlichen Einkommen, sondern vom Alter und der Lebenssituation ab.
Pflegegeld und Pflegegrade beantragen
Sofern Sie finanzielle Unterstützung durch die Pflegeversicherung beanspruchen wollen, beantragen Sie dies zunächst bei der Pflegekasse. Dafür müssen Sie zwei Voraussetzungen erfüllen:
- Sie waren innerhalb der letzten 10 Jahre mindestens zwei Jahre lang in der Pflegeversicherung versichert („Wartezeit“).
- Sie müssen nachweislich mindestens 6 Monate lang pflegebedürftig sein.
Der Medizinische Dienst (oder ein vergleichbarer Gutachter) prüft, inwiefern die betroffene Person pflegebedürftig ist und welche Schwere diese Bedürftigkeit hat. Haben Sie eine private Pflegeversicherung abgeschlossen, übernimmt die MEDICPROOF GmbH diese Prüfung
Wie lange dauert die Bearbeitung eines Antrags auf Pflegeleistungen?
Die Pflegekasse entscheidet über die Pflegebedürftigkeit in der Regel spätestens fünf Wochen, nachdem Sie den Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung eingereicht haben. Fällt das Ergebnis der Einstufung für Sie anders als erwartet aus, dann können Sie innerhalb eines Monats schriftlich widersprechen. Lassen Sie sich vorab gegebenenfalls auch von einer professionellen Pflegeberatung informieren.
Pflegegrade ermitteln lassen
Wollen Sie einen Pflegegrad bestimmen lassen, dann vereinbart ein Gutachter des Medizinischen Dienstes/ Medicproof nach Ihrem Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung einen Termin mit Ihnen. Bei dieser Pflegebegutachtung wird anhand sechs festgelegter Kriterien geprüft, wie selbstständig die betroffene Person noch ist.
Diese „Module“ umfassen nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriumsz. B.:
- Mobilität
- Fähigkeiten hinsichtlich Kognition und Kommunikation
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
- Selbstversorgung
- Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (unter Umständen auch außerhäusliche Aktivitäten sowie Haushaltsführung)
Über ein gesetzlich vorgeschriebenes Punktesystem nimmt der Gutachter seine Bewertung vor: Dabei bedeuten viele Punkte eine hohe Einschränkung der Selbstständigkeit. Die Berechnung erfolgt für jedes der einzelnen Module, für die zum Abschluss eine Gewichtung vorgenommen wird. Die Bewertungsgrade sind keine, geringe, erhebliche, schwere oder schwerste Beeinträchtigung.
Übrigens: Der Pflegebedürftigkeitsgrad liefert eher weniger Informationen über die Schwere der Krankheit einer Person, sondern über die Einschränkung ihrer Selbstständigkeit.
Pflegegrad oder Pflegestufe?
Um sowohl körperliche als auch geistige Beeinträchtigungen gleichgestellt betrachten zu können, hat man 2017 fünf Pflegegrade eingeführt, die das alte Pflegestufensystem ersetzen. Zuvor bestimmten die Pflegeminuten pro Tag die Pflegestufen, die in Stufe 0, 1, 2 und 3 eingeteilt waren. Mit dem neuen System legt die Einschränkung von Fähigkeiten und Selbstständigkeit die Pflegegrade fest:
- Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung
- Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung
- Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung
- Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung
- Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Pflegegeld und Pflegesachleistungen
Im Rahmen einer Pflegeversicherung können Sie und Ihre Angehörigen unterschiedliche Leistungen in Anspruch nehmen.
Leistungen für die Pflege zu Hause
Betroffene äußern oft den Wunsch, in ihrem Haus oder ihrer Wohnung gepflegt zu werden und so in ihrem bekannten Umfeld bleiben zu können. Übernehmen Angehörige die häusliche Pflege, wird zur Unterstützung der selbstorganisierten Betreuung ein Pflegegeld gezahlt. Dieses überweist die Pflegekasse ab Pflegegrad 2.
Außerdem bekommen Sie bei Bedarf auch Unterstützung von einem Pflegedienst im Rahmen einer Sachleistung (möglich ab Pflegegrad 2). Die Pflegeversicherung vergütet dem ambulanten Pflegedienst seine Leistungen. Die Kosten werden für den jeweiligen Pflegegrad bis zu dessen maximalem Höchstsatz übernommen. In solchen Fällen besteht auch eine Kombinationsmöglichkeit von Pflegegeld und Sachleistung: Nämlich, wenn ein Pflegedienst die Angehörigen bei den alltäglichen Aufgaben durch ambulante Pflege unterstützt.
Übrigens: Übernehmen Angehörige ab Grad 2 die Pflege selbst, ist eine vorherige Pflegeberatung empfehlenswert. Diese wird von der Pflegekasse gezahlt. Nehmen Sie die Beratung allerdings nicht in Anspruch, riskieren Sie weniger oder gar kein Pflegegeld ausgezahlt zu bekommen.
Unser Tipp: Wollen Sie die Pflege zuhause als Angehörige selbst übernehmen, dann empfehlen wir Ihnen die Pflegekurse, deren Kosten die Versicherung übernimmt. Hier besteht keine Verpflichtung. Es erfolgt jedoch eine halbjährliche bzw. vierteljährliche Überprüfung je nach Pflegegrad, ob die Pflege sichergestellt ist.
Leistungen für die Pflege im Heim und alternative Wohnformen
Jemanden zu pflegen ist nicht nur in den eigenen vier Wänden möglich. Eine andere Option ist z. B. die teilstationäre Pflege (Tages- oder Nachtpflege) für einen oder mehrere Tage pro Woche in einem Heim. So können Angehörige, die sich um eine pflegebedürftige Person kümmern, trotzdem in Voll- oder Teilzeit berufstätig bleiben. Benötigt der Betroffene dauerhafte Unterstützung rund um die Uhr, können Sie eine vollstationäre Pflege in Betracht ziehen. Oder eine Pflege-WG bzw. eine ambulante, durch eine Pflegeperson betreute Wohngruppe.
Pflegeheim oder -WG – je nachdem, für welche Form der stationären Pflege Sie sich entscheiden, übernimmt die gesetzliche Pflegeversicherung die Kosten bis zum Höchstsatz. Einen Überblick können Sie sich anhand unserer Leistungstabelle zu den Pflegegraden verschaffen:
Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege
Der nicht mehr ganz so geheime Geheimtipp
Kümmern sich Angehörige um eine pflegebedürftige Person, bietet die gesetzliche Pflegeversicherung weitere Leistungen zur finanziellen Entlassung. Kann die pflegende Kraft ihre Aufgaben aufgrund von Urlaub oder Krankheiten nicht erledigen, kann für bis zu 6 Wochen jährlich ein Antrag auf Verhinderungspflege gestellt werden. Die exakte Höhe des Verhinderungspflegegeldes ist abhängig davon, wer die Vertretung für diesen Zeitraum übernimmt: Ein Pflegedienst oder Angehörige. Allerdings werden bis maximal 2.418 € gezahlt.
Sie können auch einen Antrag auf Kurzzeitpflege in Pflegeheimen stellen, für bis zu 56 Tage im Jahr. Allerdings werden max. 1774 Euro bezahlt. Und seit 2015 besteht auch eine Kombinationsmöglichkeit mit der Verhinderungspflege. So können Sie nicht beanspruchte Leistungen bzw. das nicht beanspruchte Budget auf die jeweils andere Option anrechnen lassen.
Übrigens: Anspruch auf Verhinderungs- und/oder Kurzzeitpflege haben Sie ab Pflegegrad 2. Pflegebedürftige Personen mit dem Pflegegrad 1 können den Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro pro Monat, also bis zu 1.500 Euro pro Jahr, einsetzen, um Leistungen der Kurzzeitpflege in Anspruch zu nehmen.
Zusätzliche Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
Um Angehörige zu unterstützen, zahlt die Pflegeversicherung monatlich bis zu 40 € Zuschuss zu Pflegehilfsmitteln, wie unter anderem:
- Desinfektionsmittel
- Inkontinenzeinlagen
- Einmalhandschuhe
Bei der Pflegekasse können Sie diese Hilfsmittel beantragen. Die Kassen zahlen außerdem pro Monat 23 € für laufende Kosten sowie die Anschlusskosten eines Hausnotrufs bei allen Pflegegraden. Muss die Wohnung des Betroffenen an seine Pflegebedürfnisse angepasst werden – z. B. durch den Umbau von Fenster- und Türgriffen auf Rollstuhlhöhe – zahlt die Pflegekasse für die Verbesserung des Wohnumfelds bis zu 4.000 €. Reichen Sie dafür einen Kostenvoranschlag ein.
Leisten Sie Unterstützung im Haushalt, bei der Gartenpflege oder beim Einkaufen, können Sie die Quittungen für entstandene Kosten im Nachhinein ebenfalls bei der Pflegekasse einreichen. Diese zahlt einen vom Pflegegrad unabhängigen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 € pro Monat. Welche Dienstleistungen Sie konkret abrechnen können, unterscheidet sich je nach Bundesland. Außerdem zahlt die Kasse einen Betreuungsbetrag von monatlich 125 €, wenn die Pflege nicht zuhause stattfindet. Dies ist nur möglich, wenn die Arbeiten von einem anerkannten Pflegedienst, der Haushaltshilfen oder Betreuungskräfte beschäftigt, ausgeführt werden beziehungsweise die Haushaltshilfen und Betreuungskräfte anerkannt sind.
- Pflegegrad 1- 5
- Pflegehilfsmitteln zum Verbrauch: 40 Euro
- Zuschüsse zum Hausnotruf: 23 Euro
- Wohngruppenzuschlag für ambulante Pflege-WG: 214 Euro
Reicht die gesetzliche Pflegeversicherung aus?
Auch wenn die gesetzliche Pflegeversicherung finanzielle Unterstützung bietet, können durch die Zahlungen oftmals trotzdem nicht alle entstehenden Kosten beglichen werden. Deshalb empfehlen wir Ihnen, diese Versorgungslücke durch weitere Vorsorgemaßnahmen selbst schließen.
So können Sie z. B. Hilfe beim Sozialamt beantragen, wenn Ihr Gehalt (und das eines möglichen Ehepartners) nicht zur Deckung der Pflegekosten reicht. Bei einem solchen Antrag prüft das Amt allerdings, ob nicht eventuell die Eltern oder Kinder des Pflegebedürftigen einen Teil der Kosten übernehmen können: Ist deren Einkommen höher als der Freibetrag, müssen sie finanzielle Unterstützung leisten.
Nach Angaben des Finanztest (Ausgabe 02/2020) beträgt die Versorgungslücke im Pflegefall sowohl bei häuslicher als auch bei stationärer Pflege mehrere Hundert bis sogar Tausende Euro pro Monat:
Fazit: Eine private Pflegezusatzversicherung ist sinnvoll!
In den letzten Jahren hat die gesetzliche Pflegeversicherung ihre Leistungen mehr und mehr ausgebaut. Trotzdem bleibt professionelle und fürsorgliche Pflege für Betroffene und Angehörige eine kostspielige Angelegenheit. Denn auch wenn der Grundschutz der Pflegekassen einige Kosten übernimmt, entstehen zusätzliche finanzielle Aufwände: Und die können – je nach individuellem Fall und Art der Unterbringung – unterschiedlich hoch ausfallen.
Finanzielle Schwierigkeiten sind nicht selten vorprogrammiert, sofern man nicht viel Geld auf der hohen Kante oder ein ausreichendes Einkommen im Alter hat. Deshalb empfehlen wir als sinnvolle Ergänzung den Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung, die bis zu 100 % der Kosten übernimmt. So brauchen Sie und Ihre Angehörigen sich im Falle eine Pflegebedürftigkeit nicht um finanzielle Belastungen zu sorgen.
Haben Sie noch Fragen zu dem Thema oder wünschen eine umfassende Beratung? Dann nimmt sich das Team der Versicherungskammer Bayern gerne Zeit für Sie.